In the Studio
Willkommen in David Hockneys Atelier
Selbstporträts im Atelier haben in der Kunst eine lange Tradition. David Hockney reiht sich mit einem selbstbewussten Statement darin ein.
David Hockney präsentiert sich hier inmitten aktueller Werke. Sein Studio in den Hollywood Hills bei Los Angeles gleicht eher einem Ausstellungsraum als einem Atelier: Es gibt weder Farben noch Pinsel und die Staffeleien dienen nicht der Bearbeitung, sondern der Präsentation von Gemälden.
Statement
Die Gemälde im Atelier sind eine Leistungsschau von Hockneys Werk im Jahr 2017. Im Zentrum steht dabei die Multiperspektive, die er mit sechseckigen Leinwänden betont. Manche Motive kommen gleich mehrmals in verschiedenen Formaten vor und unterstreichen das Thema.
Mit In the Studio verweist der Künstler auf seine Entwicklung seit der Abkehr vom Naturalismus Ende der 1970er-Jahre. Hockney will uns also hier weniger sein Atelier zeigen, als seinen künstlerischen Ansatz und sein Können zu präsentieren. Er zeigt das Atelier als einen Ort des Hinterfragens und des genauen Hinsehens.
Digitale Collage
Auf den ersten Blick wirkt das Werk wie eine konventionelle Panorama-Fotografie. Doch verschiedene Elemente stören diesen Eindruck. Es handelt sich hier um eine digitale Collage aus 3’000 Aufnahmen. David Hockney bezeichnet diese Technik als «fotografische Zeichnung». Die digitale Montage ist absichtlich nicht perfekt ausgeführt: teilweise fransen die Ränder von Gegenständen aus, es gibt Unschärfen, schummrige oder verpixelte Stellen. An den Beinen und Lehnen des Sessels erscheinen orange Konturen und die Schatten unter den Hockern wirken digital gezeichnet.
David Hockney führt mit dem neuen Medium weiter, was er mit fotografischen Collagen und mit der Serie Moving Focus in den 1980er-Jahren begonnen hat. Hockney sucht mit immer neuen Techniken nach einer Methode, die Welt so darzustellen, wie wir sie sehen und erleben. Denn die einfache fotografische Abbildung scheint ihm dafür viel zu eindimensional.
«Die meisten Menschen glauben, dass die Welt aussieht wie das Foto von ihr. Ich habe immer unterstellt, dass das Foto fast Recht hat. Aber durch das kleine Bisschen, um das es fehlgeht, geht es eine Meile fehl. Das ist es, was ich zu ergründen suche.»
David Hockney, 2011
bild im bild
David Hockney kennt die Kunstgeschichte aus dem Effeff. Er spielt virtuos mit Stilen und zitiert Malerkolleg:innen aus früheren Epochen.
Beispielsweise die Allee von Middelharnis von Meindert Hobbema. Hockney teilt das Gemälde des niederländischen Malers in mehrere vieleckige Leinwände auf. Indem er die Horizontlinie und die Symmetrie betont, spitzt er die stark konstruierte Bildkomposition von Hobbema weiter zu. Die Inspiration für das darüber hängende Bild ist die Verkündigung Mariä von Fra Angelico. Dabei interessiert Hockney weniger die biblische Geschichte, in der der Engel Gabriel vor Maria erscheint und ihr die Geburt Jesu ankündigt, als für die Perspektive, die er durch einen unregelmässigen Säulengang und die sechseckige Form der Leinwand aufbricht.
Mythos Atelier
Das Atelier des Künstlers von Gustave Courbet ist eine der bedeutendsten künstlerischen Selbstdarstellungen. Der französische Maler malt das Bild 1855 als radikales Statement: Courbet kritisiert mit dem Bild die akademische Kunst und bezieht Stellung für den Realismus, eine kunstgeschichtliche Epoche, die auf das Alltägliche und Ungeschönte fokussiert. Neben Courbet steht eine nackte Frau, eine Personifikation der Wahrheit. Er zeigt damit den Realismus als die einzig echte, «wahre» Kunst. Während links vom Maler die einfachen Leute und ihre Armut dargestellt sind, versammeln sich rechts Vertreter:innen der Kunstwelt, darunter auch Freund:innen und Sammler:innen des Künstlers sowie der Schriftsteller Charles Baudelaire. Ganz bewusst ist Courbet dem einfachen Volk zugewandt und malt eine nüchterne Landschaft.