Moving Focus

Viele Perspektiven!

David Hockneys Fokus ist immer in Bewegung. Stets sucht er nach Möglichkeiten der räumlichen Darstellung, erforscht die perspektivische Darstellung und probiert neue Medien aus.

Die Werkgruppe Moving Focus gibt der Ausstellung im Kunstmuseum Luzern ihren Namen. Die Bilder zeigen oft Interieurs. Der Künstler hält Möbel, Terrasse, Speise­zimmer fest, als hätte er seinen Kopf ständig bewegt. Und tatsächlich: Selten nehmen wir unsere Umgebung rechtwinklig mit stabilen Horizontalen und fixen Vertikalen wahr. Wenn wir auf einen Bildschirm vor uns fokussieren, gleichzeitig aber einen vorbeihuschenden Schatten, die Stühle am anderen Ende des Tischs, die Katze, die Stehlampe sehen, kommen wir David Hockneys Art zu zeichnen ziemlich nahe.

«Verkehrte» Perspektive

Als sich Hockney in den 1980er-Jahren vom Naturalismus abwendet, stellt er auch die Zentralperspektive radikal in Frage. Dabei dreht er diese kurzerhand um und verlegt den Fluchtpunkt hinter seinen Rücken, also auch hinter die Betrachter:innen. So ist beispielsweise der Tisch, auf dem die Vase mit den Amaryllis steht, in umgekehrter Zentralperspektive wiedergegeben.

David Hockney, Amaryllis in Vase, 1984, Lithographie auf Papier, 115.5 × 83 cm, Tate: Schenkung des Künstlers 1993, © David Hockney / Tyler Graphics Ltd., Foto: Richard Schmidt

Multiperspektive

David Hockney spricht über die Multiperspektive in der chinesischen Malerei.

Hockney beschäftigt sich in seinem Werk immer damit, wie sich mehrere Perspektiven in einem Werk vereinen lassen. Die Multiperspektive entspricht für Hockney unserer tatsächlichen Wahrnehmung, die von verschiedenen Blickwinkeln, aber auch von Emotionen und Gefühlen geprägt ist.

Ein wichtiges Vorbild ist ihm dabei der Kubismus, der ein Motiv in verschiedene Ansichten aufsplittet. 1981 entdeckt er zudem auf einer Reise chinesische Rollbilder. Die Bilder im extremen Längs- oder Querformat werden nur zur Betrachtung entrollt. Sie erzählen Geschichten, indem sie verschiedene Momente eines Geschehens oder einer Landschaft in unterschiedlichen Perspektiven festhalten.

«Ich meine, dass die grössten Fehler des Westens wohl die Einführung des äusseren Fluchtpunkts und des Verbrennungsmotors waren.»

David Hockney, 2007

Glücklicher Zufall

Auf einem Ausflug nach Mexiko bleibt David Hockneys Auto stehen. Unverhofft verbringt Hockney die Nacht im Hotel Romano Angeles in Acatlán. Ein Glücksfall! Der Künstler entdeckt den charmanten Innenhof mit überdachtem Säulengang und plätscherndem Brunnen. Sofort macht er Skizzen der Anlage. Später kehrt er mit dem Grafiker Kenneth Tyler zurück und bereitet eine Serie Druckgrafiken vor.

David Hockney, Hotel Acatlan: Second Day, 1984–85, Lithografie auf Papier, 67 × 92 cm, Tate: Schenkung des Künstlers 1993, © David Hockney / Tyler Graphics Ltd.

Hockney bewegt sich im Innenhof, stellt sich neben den Brunnen oder setzt sich in die Arkade und hält verschiedene Ansichten fest. Später fasst er diese in einem Bild zusammen. Dadurch wirkt der Raum dynamisch und die mehrfachen Perspektiven vermitteln Bewegung.

Die endgültige Form nehmen die Druckgrafiken jedoch erst im Atelier an. Zusammen mit dem Grafiker Kenneth Tyler entwickelt Hockney eine neue Technik, mit der die Farben noch stärker leuchten.